
Bianca Baldi
über die Rolle von Liebe in ihrer Arbeit
Im südafrikanischen Apartheidssystem war der Immorality Act ein Gesetz, das Menschen unterschiedlicher ethnischer Gruppen verbot, intime Beziehungen zu führen oder zu heiraten. In meiner hier präsentierten Arbeit zeigt sich, dass das Überschreiten von Grenzen in rassistisch segregierten Kontexten ein transgressiver Akt sein kann, der die auferlegte Trennung unterläuft. Liebe ist transgressiv. Wahre Liebe ist in Gerechtigkeit verwurzelt. Sie ist eine Kraft, die Grenzen setzt, um uns selbst zu schützen, damit wir uns zusammenschließen und einander schützen können. Liebe fordert Handeln für soziale Gleichheit. Liebe fordert Handeln für soziale Gerechtigkeit, für Klimabewusstsein und den Mut, über uns selbst hinaus zu sorgen. Liebe ist ein Bekenntnis, die Grenzen zu überschreiten, die uns von anderen Wesen trennen.

Bianca Baldi
über den Entstehungsprozess
In der Ausstellung Love, Maybe werden zwei Arbeiten präsentiert. Zum einen das fotografische Diptychon Sepia und zum anderen eine Serie mundgeblasener Glasobjekte mit dem Titel The Chorus. Diese Werke stellen die Frage: Was bedeutet es, die existenzielle Grenze zu überschreiten, die einen von anderen trennt, wenn es ums Überleben in feindlichen Umgebungen geht? Beide Arbeiten sind Teil eines größeren Werkkomplexes, der sich mit dem Tintenfisch Sepia officinalis auseinandersetzt. Dieses Kopffüßer nutzt eine rasante, adaptive Tarnung durch spezialisierte Hautzellen, sogenannte Chromatophoren. Durch die Linse des Tintenfischs reflektiere ich darüber, was es aus menschlicher Perspektive bedeutet, die eigene Hautfarbe zu verändern. In der Soziologie wird dies als parsing bezeichnet – die Fähigkeit einer Person, als Teil einer anderen sozialen Gruppe wahrgenommen zu werden, oft im Kontext rassistisch segregierter Gesellschaften. Dies war auch der Fall im Apartheidssystem Südafrikas, das eine institutionalisierten Rassentrennung durchsetzte. Tintenfische sind Meister der Biomimikry, die ihre Tinte und ihre Fähigkeit zur Veränderung von Farbe, Textur und Muster einsetzen, um sich ihrer Umgebung anzupassen. Fotografie und der Tintenfisch verbindet eine komplexe Beziehung zum Licht und zur Umwelt – beide besitzen die Fähigkeit, zu täuschen, offenzulegen und mit Präzision darzustellen. Die Sepia produziert zudem Tinte, um sich bei Gefahr zu schützen. In der frühen Malerei und Zeichnung wurde Sepia-Tinte verwendet, um Spuren zu hinterlassen. Mit der Entwicklung der Fotografie im Industriezeitalter wurden silberbasierte Fotografien mit einem Sepiaton behandelt, um ihre Langlebigkeit zu erhöhen und sie widerstandsfähiger gegen das Verblassen und den Verfall zu machen.
Die zweite präsentierte Arbeit ist eine Glas-Serie. Die Form dieser Objekte stammt aus einem Abdruck eines Tintenfischknochens – einer Struktur, die dem gelatinösen Körper des Tintenfischs Auftrieb verleiht. Die Objekte bestehen aus Glas, einem Material, das zugleich materiell und immateriell ist. Wir können hindurchsehen, doch zugleich nehmen wir das Glas als eigenständiges Objekt wahr. Es reflektiert seine Umgebung, während es gleichzeitig durchsichtig bleibt – ganz ähnlich dem Tintenfisch selbst. Die Oberfläche dieser Werke ist mit einer Technik namens scavo behandelt. Scavo wurde häufig im Antikenhandel verwendet. Das Wort bedeutet auf Italienisch „Ruine“, und Händler antiker Objekte nutzten diese Technik, um Zeit künstlich zu simulieren, um Oberflächenstruktur und Patina zu erzeugen, wodurch die Objekte wertvoller erschienen. Was mich daran im Zusammenhang mit meiner Forschung über parsing besonders interessiert, ist, dass es buchstäblich Zeit fälscht und eine trügerische, schwer fassbare Oberfläche schafft.